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Globaler Diversitätsverlust im biologischen, anthropologischen und geologischen Bereich begünstigt die Entstehung von Zoonosen, fanden KLI Forscher*innen heraus
Aus dem wachsenden Bewusstsein, dass die COVID-19 Pandemie eine Konsequenz ökologischer und sozialer Krisen darstellt, wurde in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Science of the Total Environment“ ein neuer Artikel publiziert. Darin präsentiert das internationale Team des Konrad Lorenz Instituts Klosterneuburg (KLI), eines unabhängigen österreichischen Forschungsinstituts mit den Schwerpunkten Lebenswissenschaften und Nachhaltigkeitsforschung, ein interdisziplinäres theoretisches Modell um das Phänomen der COVID-19 Pandemie in Zusammenhang mit der Diversität aller Bereiche der Umwelt betrachten zu können.
Die Wissenschafter*innen des KLI nutzten dieses Modell um die komplexen Beziehungen zwischen Diversität und der Pandemie zu verstehen. “Wir können die COVID-19 Pandemie als Folge des vom Menschen verursachten Diversitätsverlustes der Geosphäre und Biosphäre betrachten, welcher sich rückwirkend auch auf die Vielfalt der Anthroposphäre auswirken kann” sagt Dr. Roberto Cazzolla Gatti, Erstautor des Artikels.
Wenn wir lernen wollen, mit der Pandemie umzugehen – schlägt der Artikel vor – müssen wir sie als komplexes globales Phänomen mit weitreichenden zeitlichen und räumlichen Wechselwirkungen verstehen. Derzeit mangelt es jedoch gerade an solchen ganzheitlichen und systematischen Forschungsansätzen. Das KLI Team mit Mitgliedern aus den Bereichen Biologie, Anthropologie, Wissenschaftsphilosophie, Umweltökonomie und Geographie streicht daher besonders die komplexen Zusammenhänge zwischen der COVID-19 Pandemie und der Umwelt als selbstregulierendes, sich entwickelndes System aus drei Sphären (Geosphäre, Biosphäre und Anthroposphäre) hervor.
Folglich wird das Modell genutzt, um aus der rasch wachsenden Menge von wissenschaftlichen Publikationen und Zeitungsartikeln über die COVID-19 Krise Informationen zu sammeln und in Zusammenhang zu bringen. Darauf aufbauend weisen die Autor*innen darauf hin, dass die aktuelle Pandemie als Resultat verringerter menschlicher, biologischer und geochemischer Diversität sowie der Wechselwirkungen zwischen diesen Sphären interpretiert werden kann. „Diversität stellt wohl den wichtigsten Lösungsansatz dar, um mit Pandemien und ihren Folgen umzugehen“ sagt Dr. Guido Caniglia, Wissenschaftlicher Direktor des KLI und Mitautor des Artikels.
Im Hinblick auf die Zusammenhänge und Wechselwirkungen innerhalb und zwischen den Sphären werden in der Publikation einige wichtige Botschaften übermittelt: Vom Menschen ausgehende Stressfaktoren, wie etwa die Ausbeutung biologischer und geologischer Ressourcen, führen zur zunehmenden Destabilisierung und verringerten Resilienz und haben schließlich drastische Auswirkungen auf natürliche und menschengemachte Systeme. Auch die unmittelbaren Reaktionen auf die Pandemie – wie etwa großräumige Lockdowns – scheinen der Umwelt zwar kurzfristig Erleichterung zu bringen, können aber langfristig negative Folgen haben.
Die Autor*innen rufen daher Politik und Entscheidungsträger*innen eindringlich zu sofortigen Maßnahmen für Rehabilitation, Schutz und Förderung globaler Vielfalt auf. Die Diversität und Komplexität unserer ökologischen und sozioökonomischen Systeme ist maßgeblich an deren Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten beteiligt. Um eine solche Neuorientierung zu ermöglichen, setzt das KLI Team auf die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, um gemeinsam neue Strategien zum Schutz der globalen Diversität zu erarbeiten.
Originalpublikation: Cazzolla Gatti R., Menéndez L. P., Laciny A., Bobadilla Rodríguez H., Bravo Morante G., Carmen E., Dorninger C., Fabris F., Grunstra N.D.S., Schnorr S. L., Stuhlträger J., Luis Villanueva Hernandez A., Jakab M., Sarto-Jackson I., Caniglia G., 2020. Diversity lost: COVID-19 as a phenomenon of the total environment. Science of The Total Environment, 144014 https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2020.144014