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Stephan Achim | Fellow Visitor
1999-02-01 - 1999-03-31 | Research area: Philosophy of Biology
Von der Unvorhersagbarkeit zur Selbstorganisation

(Fertigstellung eines Buchmanuskripts)

Dresden University Press, Dresden

Wenn eine der führenden philosophischen Fachzeitschriften einen Essay-Preis zu einem bestimmten Thema auslobt, dann darf man sich der Aktualität dieses Gegenstandes gewiß sein. The Philosophical Quarterly hat 1997 ihren jährlich zu vergebenden 'Essay Prize' dem Thema 'Emergenz' gewidmet. Diesem Gegenstand gilt das vorliegende Buch.

Der Begriff der 'Emergenz' gehört nicht zu denjenigen philosophischen Begriffen, mit denen jeder fachkundige Leser sofort eine bestimmte, klar umrissene Vorstellung verbinden mag. Selbst in einigen Fachlexika sucht man mitunter vergeblich zwischen 'element' und 'empiricism' oder zwischen 'Emanation' und 'Emotion' nach einem entsprechenden Eintrag. Dennoch kam und kommt dem Begriff der 'Emergenz' eine wichtige Rolle in der Philosophie zu. Mit ihm wurden Theorien ausgezeichnet, die sich gleichermaßen deutlich von reduktivmechanistischen wie auch von substanzdualistischen Theorien des Lebens oder des Geistes abgrenzten. Häufig dient er zur Charakterisierung solcher Systemeigenschaften, die sich nicht auf die eine oder andere Weise auf die Eigenschaften der Systembestandteile zurückführen lassen oder die unvorhersagbar sind oder gar einen 'abwärts gerichteten' kausalen Einfluß auf die Systemkomponenten ausüben. War er in den Anfangsjahren dieses Jahrhunderts hauptsächlich ein Schlüsselbegriff in evolutionären Kosmologien, so finden wir ihn heute in so unterschiedlichen Bereichen wie der Philosophie des Geistes, Theorien der Selbstorganisation, im Konnektionismus, der Synergetik und der Chaostheorie.

Dieses Buch hat das Ziel, sich den verschiedenen Facetten des Emergenzbegriffes sowohl historisch als auch systematisch möglichst umfassend zu nähern. Seine Gliederung entspricht, wenn auch nicht streng chronologisch, den vier historischen Phasen, in die sich die philosophische und wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Problem und dem Begriff der Emergenz einteilen läßt: Nach einer Darstellung der zentralen Merkmale emergenztheoretischer Positionen, wie sie in den 'klassischen' Arbeiten von Alexander, Lloyd Morgan, Broad und Sellars aus der 'Blütezeit des Emergentismus' in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts zu finden sind, wendet sich der Blick zunächst zurück ins neunzehnte Jahrhundert zu den 'Anfangen emergentistischen Denkens' in der britischen und kontinentalen Philosophie. Auf die sich anschließende Bestandsaufnahme der 'Kritik am Emergentismus', die in den Einwänden der Logischen Positivisten kulminierte, folgt die Erörterung der 'Renaissance des Emergentismus', die sich seit den siebziger Jahren in der Philosophie des Geistes, den Kognitionswissenschaften und anderen naturwissenschaftlichen Bereichen vollzieht.

Ich habe davon abgesehen, das Buch streng chronologisch aufzubauen. Denn ohne zu wissen, zu welcher Theorie der Keim einer solchen die Vorstufe bildet, ist es schwierig, deren Ähnlichkeit und Geistesverwandtschaft zu würdigen. Zahlreiche Darlegungen hätten doppelt erfolgen müssen. Um dies zu vermeiden, beginne ich mit einer an den klassischen Texten des Emergentismus orientierten Systematik der wichtigsten Merkmale, nach denen sich verschiedene emergenztheoretische Positionen profilieren lassen, und wende mich erst im Anschluß daran dem Werk jener Philosophen zu, die emergenztheoretische Gedanken vorwegnahmen oder deren Weg bereiten halfen. Da die Unterschiede zwischen jenen - es handelt sich um Mill, Lewes, Reil, Lotze, Fechner und Wundt - zu groß sind, um eine systematische Betrachtungsweise sinnvoll erscheinen zu lassen, ist der den 'Anfangen' gewidmete Teil nach Autoren strukturiert. Die Gliederung der übrigen Teile folgt dagegen systematischen Gesichtspunkten. So bin ich weniger an den spezifischen Emergenztheorien Alexanders, Lloyd Morgans, Sellars' oder Broads interessiert, als an der Erarbeitung der ihren Theorien bei aller Detailverschiedenheit - gemeinsamen Merkmale, nach denen schließlich verschieden starke Emergenztheorien charakterisiert werden können. Auch der dritte, mit der älteren Kritik am Emergentismus befaßte Teil ist nicht nach Autoren, sondern nach typischen Einwänden organisiert, die gegen emergentistische Theorien erhoben wurden. Der vierte Teil gliedert sich nach den verschiedenen Disziplinen, in denen der Begriff der 'Emergenz' seit einiger Zeit wieder eine wichtige Rolle spielt: Philosophie des Geistes, Konnektionismus, Theorien der Selbstorganisation sowie Synergetik und Chaostheorie. Darüber hinaus enthält er mit der Erörterung des 'Pepper-Kim-Dilemmas' einen weiteren, zentralen Einwand gegen den Emergentismus, dessen Diskussion jedoch die Bekanntschaft mit der neueren Philosophie des Geistes bereits voraussetzt und deshalb noch nicht im Rahmen der älteren Kritik hätte diskutiert werden können.